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  • AutorenbildRobin Hill

Was ist "Biosphären-Fotografie"?

Aktualisiert: 18. Juni 2022


Wenn sich jemand durch unsere Webseite oder unsere Insta-Page klickt und sich dann für eine übergeordnete Kategorie entscheiden müsste, dann würde sich wohl manch eine(r) für "Naturfotografie" entscheiden. Das ist sicher nicht komplett falsch. Warum wir unsere Fotografie aber nur ungern als Naturfotografie bezeichen, wollen wir an dieser Stelle und auch in zukünftigen Blog-Einträgen etwas erläutern.


Bild 1: "Blyde River Canyon, Mpumalanga, Südafrika" (© BuserHillPhotography)


Der Hauptgrund für diese Einstellung gegenüber dem Begriff "Natur" liegt in unserem Studium. Neben Biologie haben wir beide nämlich auch Ethnologie studiert. Auch wenn dieses Fach von aussen oft etwas belächelt wurde (und immer noch wird), haben wir doch eine ganze Menge gelernt dabei. Eine der Hauptdebatten der Ethnologie in den letzten Jahrzehnten beschäftigt sich zum Beispiel eingehend mit dem "Nature-Culture Devide". Wir wollen in diesem ersten Blog-Eintrag nicht zu theoretisch werden. Vereinfacht gesagt handelt es sich um eine Diskussion zur historisch gewachsenen Trennung von Natur und Kultur: Wo hört "Kultur" auf, wo beginnt "Natur"? Gibt es überhaupt eine klare Trennung oder handelt es sich um einen verwaschenen Übergang? Was hat dazu geführt, dass sich der Mensch mit seiner "Kultur" als etwas betrachtet, dass der "Natur" gegenübergestellt ist?


Insbesondere in den Sozialwissenschaften wurde die Dichotomie zwischen Natur und Kultur umfassend dekonstruiert (Cronon 1995; Ingold 2000; Ingold und Pálsson 2013; Descola 2013). Damit ist auch die explizite Abgrenzung des Menschen von nicht-menschlichen Tieren gemeint (Hurn 2012). Und obwohl auch in den Naturwissenschaften menschliche Aktivität, Ökologie und Biologie mittlerweile als untrennbar verflochten angesehen werden, hat sich die strikte Unterscheidung in unserer Alltagssprache hartnäckig gehalten:


"Ich muss mal wieder raus in die Natur!"

"Nimm das Besteck und iss nicht mit den Händen - wir sind schliesslich keine Tiere!"


Aber wo fängt diese Natur an, wo endet das "Reich des Menschen"? Ist es bereits Natur, wenn ich an den Platanen vor meinem Haus vorbei gehe und dort einen Vogel pfeiffen höre? Oder bin ich erst in der Natur, wenn der Feldweg von der geteerten Hauptstrasse zum Wald hin abzweigt? Oder wenn sich der daran anschliessende Trampelpfad im Wald verliert? Und was ist mit den leeren "Capri Sonne"- und Kondom-Packungen, welche ich dann dort zu meinen Füssen im Moos finde? Und wie um himmelswillen ist dieser Japanische Staudenknöterich in dieses mitteleuropäische Waldstück gelangt?


Bild 2: "Waldweg in der Grande Cariçaie, Schweiz" (© BuserHillPhotography)


Natur, Tier, Kultur, Landschaft, Mensch - wir sind der festen Überzeugung, dass all diese Elemente zusammengedacht werden müssen, denn der Mensch hat mittlerweile überall seine Spuren hinterlassen. Kaum ein Gipfel ist unerklommen, Schiffe sind in die Tiefsee gesunken und Mikroplastik findet sich im Eis der Antarktis. Der Begriff "Biosphäre" kann dabei helfen, dieser holistischen Sichtweise Hand und Fuss zu verleihen. Wie bereits Edward O. Wilson - seines Zeichens "Darwin des 21. Jahrhunderts", sowie "Vater der Soziobiologie und Biodiversität" - erklärt hat:



"The biosphere is the living environment, the thin layer around the world of living organisms. We're part of that. Our existence is dependent on it in ways that people haven't even begun to appreciate. Our existence depends not just on its existence, but its stability and its richness." ~ Edward O. Wilson ~


Diese Umstände vermag das Prädikat "Naturfotografie" von unserer Warte aus nicht befriedigend zu erfassen. Der Begriff "Natur" - als Gegenstück zur Kultur - behandelt menschliche Denkweisen und Aktivitäten als etwas das ausserhalb und losgelöst von "Natur" passiert. Und auch wenn wir Fotos von überraschenden Wildlife-Momenten lieben und uns indyllische, perfekt komponierte Landschaftsbilder den Atem rauben - irgendwie befassen sie sich für uns immer nur mit einem Teil der Geschichte. Dieser gezielte Fokus ist grundsätzlich auch nichts Schlechtes, denn ein detailierter Blick auf ein ganz bestimmtes Thema kann uns nie zuvor gesehene Einblicke gewähren. Wir verorten unsere Fotografie einfach anderswo, irgendwo in der Schnittstelle nämlich. Ein Beispiel, welches diesen Ansatz sehr gut illustirert, ist folgendes Bild, welches wir während des Forschungaufenthaltes für unsere Masterarbeit in der mosambikanischen Provinz Inhambane aufgenommen haben:


Bild 3: "Ebbe in der Bahia de Inhambane, Mosambik" (© BuserHillPhotography)


Ein junger Mann sucht auf dem während der Ebbe trocken liegenden Lagunenboden nach Mollusken, Streifen aus gelblichem Sand und türkisem Wasser haben sich gebildet, ein kleiner Flamingo-Schwarm und ein Regenbrachvogel (schwarzer Punkt im Vordergrund) sind auf Nahrungssuche, eine Dhow (hölzernes Segelboot) liegt in der Bucht und am Horizont erstrecken sich die Kokoshaine, durchzogen von Rauchsäulen und Sendeantennen. All diese Elemente sind Teil dieser einzigartigen Küstenlandschaft. Diese unglaubliche Diversität, und eben auch die Einbettung des Menschen (und seine Aktivitäten) in diese komplexen Ökosysteme, faszinieren uns besonders.


Das soll nun aber nicht heissen, dass auf all unseren Bilder immer Landschaften, Menschen, Tiere und Pflanzen zusammen abgebildet sind. Wir versuchen mit unseren Fotografie-Collagen (siehe "Projekte") viel mehr Orte - oder eben "Biosphären" - durch die Betrachtung ihrer vielen Einzelteile zu porträtieren. Dabei wollen wir bei der Betrachterin/dem Betrachter ein Gefühl für deren facettenreiche Schönheit und die sich darin abspielenden, oft kontroversen Geschichten erzeugen.


Grosse Fragen. kleine Antworten. Wir wollen im Laufe dieses Blogs die Gelegenheit nutzen, uns vertiefter mit all diesen Fragen auseinander zu setzen und dabei vielleicht auch etwas mehr Ordnung in unsere eigenen, sich fortwährend entwickelnden Gedanken bringen! :-)


 

Weiterführende Informationen:

  • Cronon, William. 1995. "The trouble with wilderness; or, getting back to the wrong nature". In: Uncommon Ground: Rethinking the human place in nature. Hrsg.: W. W. Norton. 69-90

  • Descola, Philippe. 2013. "Jenseits von Natur und Kultur". Berlin: Suhrkamp Verlag AG.

  • Hurn, Samantha. 2012. "Humans and other Animals: Cross-Cultural Perspectives on Human-Animal Interactions". London: Pluto Press.

  • Ingold, Tim. 2000. "The Perception of the Environment: Essays on livelihood, dwelling and skill". Hove: Psychology Press.

  • Ingold, Tim und Gísli Pálsson. 2013. "Biosocial Becomings: Integrating social and biological anthropology. Cambridge: Cambridge University Press.

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